Zum Wahlsieg der Sinn Féin in Nordirland erklärt Chantal Kopf, Obfrau im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union:
Die Wahl in Nordirland hat ein historisches Ergebnis hervorgebracht. Die republikanisch-katholische Partei Sinn Féin ist erstmal stärkste politische Kraft vor der protestantisch-unionistischen Democratic Unionist Party (DUP) geworden. Damit stellt erstmals eine nicht-unionistische Partei die Regierungschefin. Mit der Sinn Féin haben die Bürger*innen Nordirlands eine Partei zur stärksten Kraft gewählt, die sich explizit für eine Annäherung Nordirlands an Irland als europäischen Mitgliedsstaat und letztlich für ein vereinigtes Irland ausspricht. Darin zeigt sich neben den für viele Wähler*innen ausschlaggebenden liberaleren gesellschaftspolitischen Vorstellungen der wesentliche Unterschied zur DUP. Die DUP steht für die Union Nordirlands mit Großbritannien und gilt als Unterstützerin eines harten Brexit und des damit verbundenen Austritts des Vereinigten Königreichs aus dem europäischen Binnenmarkt wie auch aus der Zollunion. Letzteres hat zur Bildung einer Seegrenze in der Irischen See und einer erheblichen Belastung für die nordirische Wirtschaft beigetragen. Ebenfalls forderte die DUP jüngst immer wieder eine Neuverhandlung des Nordirlandprotokolls, welches das Fundament des Handels- und Kooperationsabkommens zwischen EU und dem Vereinigten Königreich darstellt und die Wahrung des Karfreitagsabkommen vorsieht. Die Sinn Féin hat dagegen wiederholt betont, auf eine Einhaltung des Nordirlandprotokolls als Teil der Brexit-Verträge zu drängen – auch um die Bildung einer Landgrenze innerhalb Irlands und in diesem Zusammenhang ein mögliches Wiederaufflammen des Nordirland-Konfliktes zu verhindern.
Die Sinn Féin steht nun vor der gewaltigen Herausforderung, trotz unterschiedlicher politischer Positionen gemeinsam mit der DUP eine Regierung zu bilden, wie es das Karfreitagsabkommen vorsieht. Dies könnte ein langwieriger Prozess werden und Kompromisslösungen erforderlich machen. Als Grüne hoffen wir, dass alle politischen Kräfte verantwortungsvoll mit dem historischen Wahlergebnis umgehen und erwarten, dass die Brexit-Verträge und insbesondere das Nordirlandprotokoll im Rahmen dieses Prozesses nicht zur Debatte stehen. Hier steht besonders die britische Regierung unter Premierminister Boris Johnson in der Verantwortung, das im Rahmen des Brexit unterzeichnete Nordirlandprotokoll einzuhalten, anstatt die politischen Spannungen auf der irischen Insel durch anderslautende politische Andeutungen und Drohungen anzuheizen.