In einer Erklärung von Mitgliedern des EU-Ausschusses des Deutschen Bundestags habe ich mit meinen Kolleg*innen von SPD, FDP und Union dargelegt, wie wichtig uns erfolgreiche und geregelte Beziehungen und eine weiterhin so konstruktive Zusammenarbeit mit der Schweiz sind. Als Abgeordnete aus der deutsch-schweizerischen Grenzregion weiß ich um die engen Beziehungen, welche uns mit der Schweiz verbinden. In Bereichen wie Forschung, Bildung, Klimaschutz oder Energieversorgung wollen wir auch weiterhin aufs Engste mit unserem Nachbarn zusammenarbeiten und unseren Austausch vertiefen. Gemeinsame Handlungsfähigkeit und Zusammenhalt in Europa und der Welt sind gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen umso wichtiger. Ich begrüße es, dass sich die Europäische Kommission auch nach jahrelangen Verhandlungen mit der Schweiz nach wie vor gesprächsoffen zeigt und bereit ist, nach konstruktiven Lösungen zur Regelung der Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz zu suchen. Nur gemeinsam können wir unsere enge Partnerschaft zukunftsfähig machen und ein tragfähiges Fundament für den Austausch und die Zusammenarbeit künftiger Generationen in Europa schaffen.
Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und der Schweiz sind geprägt von einem engen Austausch sowie einer erfolgreichen Partnerschaft und haben für beide Seiten einen hohen wirtschaftlichen, politischen aber auch gesellschaftlichen Stellenwert. Eine Fortführung der konstruktiven Zusammenarbeit mit der Schweiz sowie die Stärkung der gemeinsamen Handlungsfähigkeit sind insbesondere angesichts der aktuellen Krisen von gesamteuropäischem Interesse. Eine Phase der Sprachlosigkeit darf es nicht geben.
Mit großem Bedauern haben wir im Europaausschuss des Bundestags im Mai 2021 die Entscheidung der Schweizer Regierung zum Abbruch der Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen zur Kenntnis genommen. Das Rahmenabkommen hätte die Grundlage für eine Vertiefung und Weiterentwicklung der künftigen Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz geschaffen – dies auch in neuen Bereichen wie der Bekämpfung der Klimakrise, der Versorgungssicherheit oder der Digitalpolitik. Mit der Regelung institutioneller Aspekte wie der dynamischen Übernahme von EU-Recht in Schweizer Recht sowie der Streitbeilegung hätte das Abkommen darüber hinaus sichergestellt, dass gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Teilnehmer in den Bereichen des Binnenmarktes gelten, an denen die Schweiz teilnimmt.
Der Verhandlungsabbruch durch die Schweizer Regierung hat indes zu einer Gefährdung der bis dahin so erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen der EU und der Schweiz geführt. Obwohl beide Seiten ein ausdrückliches Interesse daran haben, ihre intensiven Beziehungen weiterzuentwickeln, sind alle dahingehenden Bemühungen bisher gescheitert. Für Deutschland wird sich das Ausmaß der negativen Auswirkungen insbesondere im Rahmen der engen Forschungszusammenarbeit zeigen. Für das Forschungsprogramm Horizon Europe ist die Schweiz gerade für Deutschland als Nachbarland wichtiger Partner. Die Herabstufung der Schweiz zum nicht-assoziierten Drittstaat beim Forschungsprogramm und der damit verbundene Wegfall der europäischen Finanzierung für Forschende aus der Schweiz hemmt spürbar die so wichtige Zusammenarbeit. Darüber hinaus wird die Kooperation auch in Bereichen wie Verkehr, Gesundheit oder Energie zunehmend erschwert, wenn bestehende Abkommen aufgrund ungeklärter institutioneller Fragen nicht erneuert werden können. Die daraus erwachsenden negativen Auswirkungen werden die Wirtschaft und die Bevölkerung in der Grenzregion in besonderem Maße treffen.
Mit dieser Erklärung im Europaausschuss bringen wir deshalb das ausdrückliche Anliegen zum Ausdruck, aktiv nach konstruktiven Lösungen zur Regelung der institutionellen Fragen zu suchen, um die gemeinsamen Beziehungen zukunftsfähig zu machen. Der Ausschuss weist auch darauf hin, dass eine Einigung nur auf Grundlage der Prinzipien des europäischen Rechtsraums möglich ist. Ein Abweichen von diesen Prinzipien, das auch im Verhältnis zu anderen Drittstaaten nicht gewährt werden könnte, stünde dem im Wege.
Gleichzeitig sollten dem Zugang zum europäischen Binnenmarkt sowie zu Kooperationsprogrammen der EU finanzielle Beiträge gegenüberstehen, die der Leistungsfähigkeit und dem gezogenen Nutzen entsprechen. Wir begrüßen in diesem Kontext die Freigabe des Schweizer Kohäsionsbeitrags durch den Schweizer Nationalrat zum Ausgleich der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in
ausgewählten EU-Mitgliedstaaten und das damit verbundene Signal. Es ist wichtig, dass diese Beiträge zukünftig verlässlich und planbar fließen.
Die Schweiz strebt auf absehbare Zeit keinen Beitritt zur EU an. Wir stellen allerdings fest, dass der bisherige bilaterale Sonderweg nicht unverändert fortgeschrieben werden kann. Eine künftige Vereinbarung zwischen der Schweiz und der Europäischen Union sollte diesen Änderungsbedarf reflektieren. Aufgrund der Schweizer Souveränität und aus Rücksichtnahme auf ihre direktdemokratischen Entscheidungsfindungsprozesse hat die Europäische Kommission dabei ihrerseits Bereitschaft zu einer Verständigung über pragmatische Lösungen gezeigt. Maßgeblich dabei ist, dass sich die Schutzklauseln im Rahmen der Prinzipien des europäischen Rechtsraums bewegen.
Die Schweiz ist nicht nur einer der wichtigsten Handelspartner der EU, sondern teilt darüber hinaus auch unser gemeinsames europäisches Wertesystem. Die Bedeutung und Beständigkeit dieser Werte zeigen sich gerade in Zeiten von Krisen und Kriegen in Europa besonders deutlich. Im Interesse einer raschen Lösung erwarten wir von beiden Seiten ein aktives Engagement für ergebnisorientierte Sondierungsgespräche und Verhandlungen, in denen die Spielräume für flexible Lösungen genutzt werden und dabei die Einheitlichkeit und Integrität des EU-Binnenmarkts gewahrt bleibt. Wir halten es für wesentlich und zielführend, dass die Schweiz ihre eigenen Lösungsvorstellungen vorab konkret formuliert. Wir sind überzeugt, dass dem Schweizer Anliegen des Lohnschutzes sowohl mit europakompatiblen internen Maßnahmen als auch im Rahmen der weiteren Entwicklung des europäischen Sozialraumes Rechnung getragen werden kann.