Anlässlich der Rede zur Lage der EU 2022 von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklären Anton Hofreiter MdB und Chantal Kopf, Sprecherin für Europapolitik:
Wir begrüßen, dass sich Ursula von der Leyen klar und deutlich für einen Konvent ausspricht. Die Europäische Union muss sich fit machen für die Herausforderungen, die vor ihr stehen. Wir brauchen innere Reformen, um die EU zu erweitern und um dabei handlungsfähig zu bleiben. Wir erwarten allerdings, dass die Kommissionspräsidentin in dieser wichtigen Frage mehr Konkretes liefert und ausdrücklich die Vorschläge aus der Konferenz zur Zukunft Europas aufgreift.
Es ist wichtig, dass die Kommissionspräsidentin heute noch einmal unmissverständlich klar gemacht hat, dass die Europäische Union unverrückbar an der Seite der Ukraine steht. Europa hat schnell, entschieden und gemeinsam auf den russischen Angriffskrieg reagiert und gezeigt, dass es sich von Wladimir Putin nicht spalten lässt. Die Kommissionspräsidentin versichert, dass die Unterstützung der Europäischen Union für die Ukraine bestehen bleibt. Das zeigt sich auch an den Bestrebungen, der Ukraine, Moldau und Georgien auf deren Weg in die Europäische Union zur Seite zu stehen und sie als Teil der europäischen Familie zu begreifen. Wie Ursula von der Leyen betrachten wir es als zielführend, über den Beitrittsprozess hinaus auch andere Formate wie eine europäische politische Gemeinschaft für die Annäherung und Stabilität innerhalb Europas voranzubringen. Sie dürfen für die Beitrittskandidaten aber keine Alternative zur Mitgliedschaft in der EU werden.
Wir stehen in diesem Herbst und Winter vor großen Herausforderungen. Die Solidarität, die wir nach außen leben, müssen wir nun auch nach innen beweisen. Russland setzt die Energieexporte als Mittel einer hybriden Kriegsführung ein. Wir begrüßen, dass die EU-Kommission einen Preisdeckel bei Gas vorschlägt und den Strommarkt neu ordnen will. Der Strompreis muss vom Gaspreis entkoppelt werden. Die Übergewinne der Energiekonzerne müssen für gezielte Hilfen für Menschen und Unternehmen genutzt werden, die sie besonders benötigen. Entscheidend ist, dass die Maßnahmen schnell greifen. Die Kommissionspräsidentin hat jedoch erkannt, dass fossile Energien das eigentliche Problem sind. Öl, Gas und Kohle haben uns abhängig von Autokratien gemacht. In diesen schwierigen Zeiten wird deutlich, dass Wind- und Solarkraft unser Klima schützen und uns gleichzeitig Frieden, Stabilität und Freiheit bringen. Es ist völlig unverantwortlich, dass konservative Regierungen in Europa weiterhin dem Ausbau der Erneuerbaren im Wege stehen.
Wir begrüßen die Forderung, dass unsere Haushaltregeln so gestrickt sein müssen, dass sie mehr Flexibilität und strategische Investitionen ermöglichen. Europa muss wirtschaftlich souveräner werden und die Zusammenarbeit mit Demokratien weltweit ausbauen. Wir dürfen bei den Rohstoffen, die wir für die Transformation unserer Wirtschaft brauchen, nicht in dieselbe Abhängigkeit geraten wie bei Öl und Gas. Der heute angekündigte European Raw Materials Act kann ein Schritt in die richtige Richtung sein. Wir dürfen dabei aber nicht außer Acht lassen, dass wir viele Rohstoffe bereits hier in Europa haben. Sie stecken in unseren Smartphones, Laptops und Tablets und landen noch viel zu oft im Müll. Es ist höchste Zeit eine echte europäische Kreislaufwirtschaft aufzubauen.
Im Bereich der Rechtsstaatlichkeit soll es einen Pakt zur Verteidigung der Demokratien geben, um Europa besser vor Gefahren durch Einflussnahme von Autokratien wie Russland und China zu schützen. So wichtig diese Initiative ist, dürfen wir dennoch nicht die problematischen Entwicklungen innerhalb der EU aus dem Blick verlieren. Es darf kein Geld aus dem Wiederaufbaufonds nach Ungarn und Polen fließen, bevor sie nicht auf den Pfad der Rechtsstaatlichkeit zurückgekehrt sind. Bei der Einhaltung unserer gemeinsamen europäischen Werte darf es keine Kompromisse geben. Denn die EU ist nach außen nur so stark, wie sie ihre Werte nach innen durchsetzen kann.