Zum 60. Jubiläum des Elysée-Vertrages habe ich im Interview mit dem Jugend-Portal des Deutschen Bundestages „mitmischen.de“ über die deutsch-französische Freundschaft gesprochen – und darüber, dass diese keine Selbstverständlichkeit ist.
Am 22. Januar feiert der Élysée-Vertrag 60. Geburtstag. Was besagt dieser Vertrag? Und warum schlossen Deutschland und Frankreich damals, 1963, überhaupt einen Vertrag miteinander ab?
Man muss wissen, dass Deutschland und Frankreich sehr lange als sogenannte Erbfeinde galten. 1870/71 gab es zum Beispiel den Deutsch-Französischen Krieg, den Deutschland gewann. Im Anschluss wurde das Deutsche Reich im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles gegründet – eine historische Demütigung für Frankreich. Dann gab es die beiden verheerenden Weltkriege, die unglaublich viele Opfer gekostet haben.
Diese langjährige Feindschaft war der historische Hintergrund für den Élysée-Vertrag. Der Vertrag besiegelte die deutsch-französische Freundschaft und schrieb die enge Zusammenarbeit fest.
Welche Bedeutung hat der Vertrag heute?
Natürlich hat der Vertrag einen besonderen symbolischen Wert – aber nicht nur das. Er enthält auch konkrete rechtliche Vereinbarungen zur politischen Kooperation beider Staaten, die immer noch gültig sind. Beispielsweise finden regelmäßige Regierungskonsultationen auf höchster Ebene statt, die im Vertrag festgehalten sind. Es gibt den Anspruch einer gemeinsamen Koordination in der Außenpolitik, der schon im Élysée-Vertrag formuliert ist. Der Vertrag ist also weiterhin die Grundlage der deutsch-französischen Zusammenarbeit.
Welche Themen sind aktuell in der deutsch-französischen Beziehung besonders wichtig?
Beim nächsten Deutsch-Französischen Ministerrat, der am 23. Januar stattfindet, werden viele sehr aktuelle Themen auf der Agenda stehen. An erster Stelle natürlich der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die Frage, wie Deutschland und Frankreich gemeinsam sicherheitspolitisch auf diese Herausforderung reagieren und die Ukraine weiter unterstützen können, natürlich auch in Zusammenarbeit mit den USA.
Ein anderes großes Thema ist die Energie-Politik. Da gibt es teils unterschiedliche Ansätze: Frankreich wird weiterhin auf Atomkraft setzen als eine Energieform, während Deutschland den Fokus sehr klar auf die erneuerbaren Energien legt. Trotzdem ist die Zusammenarbeit in dem Bereich natürlich von großer Bedeutung. Deutschland hat Frankreich jetzt unterstützt bei der Stromversorgung, Frankreich wiederum beliefert Deutschland mit Gas. Das ist ein ganz wichtiges Zeichen für europäische Solidarität.
Wie arbeiten der Deutsche Bundestag und das französische Parlament, die Assemblée nationale, zusammen?
Es gibt zum einen – wie mit ganz vielen anderen Ländern – eine Parlamentariergruppe, in die sich Abgeordnete einbringen, die sich für die Beziehung zu dem jeweiligen Land besonders interessieren. Im Fall der deutsch-französischen Beziehungen gibt es aber noch ein ganz besonderes Gremium: die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung. Die unterscheidet sich von den Parlamentariergruppen insofern, als dort tatsächlich Beschlüsse gefasst werden können, die dann in den nationalen Parlamenten und letztlich auch von den Regierungen aufgegriffen werden müssen.
Die Mitglieder des Bundestages und der Assemblée nationale, die der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung angehören, kommen mindestens zweimal im Jahr zusammen, um sowohl über die deutsch-französische Zusammenarbeit als auch über europapolitische Herausforderungen zu debattieren. Neben dem großen Plenum gibt es auch Arbeitsgruppen, die sich mit einzelnen Themen wie der Zukunft Europas oder eben der Energiepolitik näher beschäftigen und im Idealfall Beschlussvorschläge erarbeiten.
Im Rahmen der Feierlichkeiten zum Geburtstag des Élysée-Vertrags wird es auch eine Jugendbegegnung geben. Welchen Möglichkeiten des deutsch-französischen Austauschs gibt es denn speziell für junge Menschen?
Um die Freundschaft beider Länder mittel- und langfristig zu festigen, wird dem Austausch in den Bereichen Kultur und Jugend im Élysée-Vertrag eine besondere Bedeutung zugemessen. So ist das Deutsch-Französische Jugendwerk entstanden. Seit 1963 hat es etwa zehn Millionen jungen Menschen einen Austausch mit dem jeweiligen Partnerland ermöglicht.
Das Deutsch-Französische Jugendwerk fördert vor allem den Sprachaustausch und interkulturelle Begegnungen zwischen Jugendlichen beider Länder. Und ich finde es sehr erfreulich, dass der Perspektive junger Menschen auch im Rahmen der Feierlichkeiten so viel Raum gegeben wird.
Ihr Wahlkreis liegt in Freiburg, in unmittelbarer Nähe zu Frankreich. Welche Beziehung haben Sie persönlich zum Nachbarland?
Mein Interesse an diesem Thema kommt natürlich daher, dass ich aus der Grenzregion stamme. Die Nähe zu Frankreich ist hier allgegenwärtig und ganz selbstverständlich. Wenn man wandern geht, sieht man an so vielen Orten schon ins Elsass hinüber. Gleichzeitig stößt man auch immer wieder auf diese historischen Erinnerungen an die Zeiten, als alles noch ganz anders war, zum Beispiel an Gedenkstätten für die Opfer der beiden Weltkriege. Das führt einem vor Augen, was es für ein Glück ist, dass Krieg an dieser Grenze undenkbar geworden ist und dass wir so enge Freunde und Partner geworden sind.
Man merkt aber auch, dass diese Freundschaft immer weiter gepflegt werden muss. Ich erlebe hier in der Region, dass immer weniger junge Leute die Sprache des Nachbarlands sprechen. Daraus resultieren auch ganz praktische Herausforderungen. Zum Beispiel wäre ein regerer Austausch im Bereich Ausbildung sehr wünschenswert. Das scheitert aber oft an der Sprache. Deshalb finde ich es sehr wichtig, gerade jungen Menschen nahezubringen, welchen Wert der enge Austausch mit Frankreich hat.