Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ – kurz: GRW – ist das wichtigste Instrument der regionalen Strukturpolitik in Deutschland. Die GRW dient dem im Grundgesetz verankerten Ziel der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse, und auch die Mitwirkung des Bundes an einer solch großen gemeinsamen Aufgabe ist im Grundgesetz geregelt.
Die Idee ist, die wirtschaftlichen Entwicklungspotenziale in strukturschwachen Gegenden zu fördern und somit gute Lebensbedingungen für alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrem Wohnort, zu schaffen. Deshalb erfüllt die GRW eine entscheidende Funktion für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Zwar zählen wir mehr als 30 Jahre seit der deutschen Wiedervereinigung, doch noch immer ist das soziale und wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen Ost und West, aber auch zwischen Städten und dem ländlichen Raum zu groß. Eine konkrete Folge: In strukturschwächeren Regionen fällt populistisches und rechtes Gedankengut leider häufiger auf fruchtbaren Boden. Dort bieten diejenigen vermeintliche Antworten an, die das Land eigentlich nur noch viel tiefer spalten wollen, wie wir gerade wieder hören mussten.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Martin Reichardt (AfD) – Gegenruf der Abg. Maja Wallstein (SPD): Jetzt holen Sie doch mal Luft, Herr Reichardt! Ganz ruhig!)
Da Sie, Liebe Union, diese Debatte heute angestoßen haben, muss ich leider auch sagen: In Ihrer Regierungszeit ist deutlich zu wenig passiert, um dieser Spaltung entgegenzuwirken.
(Emmi Zeulner (CDU/CSU): Sie haben die Programme gekürzt! Junge Frau, Sie haben sie gekürzt! – Weitere Zurufe der Abg. Julia Klöckner (CDU/CSU) und Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU))
Sie haben es versäumt, die Strukturpolitik den aktuellen Herausforderungen wie zum Beispiel grüne Transformation und Arbeitskräftemangel anzupassen. Diese Herausforderungen werden weiter wachsen.
Der sozialökologische Wandel bietet enorme Chancen für die ländlichen Räume, wird sie aber auch vor große Veränderungen stellen, die wir nur gesamtgesellschaftlich stemmen können. Im Dezember 2022 haben wir deshalb die bisher größte GRW-Reform in der 50-jährigen Geschichte des Instruments beschlossen. Wir haben etwa die Bedeutung regionalen Wirtschaftens berücksichtigt, stärkere Anreize für klimafreundliche Investitionen geschaffen und Fördermöglichkeiten erweitert. Wir als Ampelkoalition sind angetreten, um den Menschen überall in Deutschland Zukunftsperspektiven zu bieten und haben deshalb diese umfassende neue GRW gemeinsam beschlossen.
Diese ist auf ein stabiles finanzielles Fundament angewiesen. Die Berichte über die vorgeschlagenen Kürzungen um fast die Hälfte waren für uns Grüne daher äußerst alarmierend.
(Zuruf der Abg. Julia Klöckner (CDU/CSU))
Programme wie die GRW sind ein wesentlicher Faktor für den Zusammenhalt in unserem Land; sie sind konkret gelebte Solidarität.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Sebastian Roloff (SPD))
Die Mittel hier zu kürzen, wäre ein fatales Signal in wirtschaftlich ohnehin angespannten Zeiten. Ich bin dem BMWK, unserem Minister Robert Habeck und Staatssekretär Michael Kellner dankbar, dass sie bereits klar Stellung bezogen haben.
Abstriche bei der GRW zu machen, bedeutet einen großen Schritt rückwärts zu gehen. Angesichts der Zahlen wäre dieser auch wenig verständlich; der Mittelabfluss liegt bei über 90 Prozent. Regelmäßige wissenschaftliche Evaluationen haben die Wirksamkeit des Programms, die positiven Effekte insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen, deutlich bestätigt. 8 Euro angestoßene Investitionen für 1 Euro Bundesmittel sprechen wirklich für sich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Mittel der GRW für die Jahre 2024 und 2025 sind bereits durch Förderzusagen an Unternehmen und Kommunen vorgebunden. Das bedeutet konkret: Im Fall einer umfassenden Kürzung müssten die Länder jegliche Bewilligungen für Projekte in den nächsten beiden Jahren einstellen. Momentan werden Gebiete in insgesamt 14 der 16 Bundesländer über das GRW-Instrument gefördert; einzig Hamburg und Baden-Württemberg sind nicht betroffen. Als Freiburgerin, deren Region nicht von der GRW profitiert, sage ich aber: Die Auswirkungen eines solch dramatischen Fördermittelabbaus für einen großen Teil Deutschlands würden uns allen schaden und uns allen auf die Füße fallen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Emmi Zeulner (CDU/CSU))
Ich appelliere deshalb an die gesamte Bundesregierung: Nehmen Sie die Bedenken des BMWK und der Länder ernst, und stoppen Sie diese drastischen Kürzungspläne für die Bund-Länder-Programme wie die GRW in Ihren Haushaltsberatungen!
(Christina Stumpp (CDU/CSU): Das ist der Hammer! – Emmi Zeulner (CDU/CSU): Gute Frau!)
Wälzen Sie die Verantwortung bitte auch nicht auf die Parlamentarier/-innen ab!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Strukturpolitik ist ein Pfeiler unseres föderalen Systems. Lassen Sie uns daran nicht rütteln, sondern gemeinsam dafür sorgen, dass wir in Deutschland weiter zusammenwachsen!
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)