Wirtschaftskorridor Indien – Naher Osten – Europa

18. Oktober 2024

Chantal Kopf (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Spannend geht es weiter am heutigen Plenartag, und ich meine das ganz ernst. Das Projekt „India-Middle East-Europe Economic Corridor“ ist hoch spannend. Zu den Potenzialen gibt es sehr viel zu sagen. Ich möchte vor allem den Gewinn an Resilienz für die europäische Wirtschaft unterstreichen, wenn diese neue Handelsroute zustande kommt, die etwa eine Alternative zum Suezkanal bietet, eine Alternative, die einen etwa 40 Prozent schnelleren Transport ermöglicht. Außerdem wäre das Projekt ein Beitrag, um unsere Wirtschaftsbeziehungen mit Indien auf ein neues Level zu heben.
Herr Brinkhaus, Sie haben auch im Europausschuss so schön erklärt, warum Indien wichtig ist. Das ist aber gar nicht nötig; denn Indien hat als Schlüsselpartner im Indopazifik eine hohe Priorität für diese Bundesregierung. Indien ist inzwischen das bevölkerungsreichste Land der Welt mit einer äußerst dynamischen Volkswirtschaft, und Indien ist die größte Demokratie der Welt.
Die Bundesregierung setzt sich unter Federführung unserer Außenministerin Annalena Baerbock intensiv für eine Vertiefung der Beziehung mit Indien ein.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vorgestern erst hat die Bundesregierung ihr Grundsatzdokument „Fokus auf Indien“ beschlossen, auch in Vorbereitung der deutsch-indischen Regierungskonsultationen, die Ende nächster Woche unter dem Motto „Growing Together with Innovation, Mobility and Sustainability“ in Neu-Delhi stattfinden. So wie bei anderen Staaten muss dabei natürlich auch die Situation der Menschenrechte – konkret: die Rechte von Frauen und besonders von Mädchen – in Indien angesprochen werden. Das erwarten wir ganz klar vom Bundeskanzler.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir wissen, dass Indien Anstrengungen unternimmt, unabhängiger von China zu werden. Das können wir nur unterstützen. Wir dürfen dabei natürlich nicht naiv sein. Indien hält sich Allianzen in verschiedenste Richtungen offen; aber es hat sehr konkrete Ziele und Bedarfe – etwa sicherheitspolitisch oder um bei der Versorgung mit Bauteilen und Rohstoffen unabhängiger von China zu werden. Wenn wir als Europa mit einer neuen Handelsroute einen Beitrag dazu leisten und damit die Verbindung Indiens mit dem Westen festigen können, dann sollten wir uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Natürlich wäre IMEC besonders in Kombination mit einem Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Indien ein echter Booster. Wie Sie wissen, unterstützt die Bundesregierung das Zustandekommen eines Handelsabkommens; allerdings haben sich die Verhandlungen bisher als sehr herausfordernd erwiesen, etwa bei öffentlicher Beschaffung, Dienstleistungen und Automobilen. Umso mehr muss die neue EU-Kommission dem Vorhaben weiterhin eine hohe politische Priorität beimessen und intensiv an Fortschritten in den Verhandlungen arbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

IMEC würde übrigens nicht nur Indien, sondern allen beteiligten Partnern das De-Risking von China erleichtern. Infrastrukturprojekte ohne China und eine Alternative zur Belt and Road Initiative, also der neuen Seidenstraße, sind Ziele, die sich die EU mit der Initiative Global Gateway gesetzt hat. Leider gibt es bisher de facto keine originär neuen Projekte und neuen Investitionen im Rahmen von Global Gateway. IMEC könnte das ändern und sich hier sehr gut einfügen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Johannes Schraps [SPD])

Wir dürfen aber auch nicht alles schönreden. IMEC steht vor sehr großen Hürden. Aufgrund des Kriegs im Nahen Osten liegt das Projekt derzeit weitestgehend leider auf Eis. Außerdem stellen sich Experten noch berechtigte Fragen zur Anlandung der Handelsroute in der EU. Denn wie wir alle wissen, ist der dafür vorgesehene Hafen von Piräus mehrheitlich in der Hand der chinesischen COSCO, was selbstverständlich Risiken für IMEC mit sich bringen könnte. Eine weitere Aufgabe ist es, das Projekt wirklich zukunftsträchtig auszugestalten. Das heißt, es muss die Idee realisiert werden, Versorgungswege für erneuerbare Energien und für grünen Wasserstoff zu schaffen – produziert insbesondere auf der sonnenreichen Arabischen Halbinsel. Es braucht Vereinbarungen über die nachhaltige Finanzierung von IMEC und Diskussionen, zum Beispiel über die Rolle der Europäischen Investitionsbank etc. pp.

Es sind also viele Fragen, die Ihr Antrag teils aufwirft, liebe Union, anstatt Antworten zu geben. Man gewinnt wenn man den Antrag liest – sogar ein bisschen den Eindruck, die Bundesregierung könnte alle Probleme dieser Welt lösen, wenn sie nur wollte. Schön wär’s! Also lassen Sie uns weiterhin sprechen über IMEC, über Indien; aber Ihren Antrag werden wir ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

Vizepräsidentin Yvonne Magwas: Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich fragen, ob noch ein Mitglied des Hauses anwesend ist, welches seine Stimme noch nicht abgegeben hat für die neunte und letzte namentliche Abstimmung.