Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der hier vorliegende Antrag von der rechten Seite des Hauses zeugt von einem rückwärtsgewandten und realitätsfernen Verständnis der EU und vor allem von einem fehlenden Verständnis von der Bedeutung der EU für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.
Da Sie hier das Wort „Souveränität“ in den Mund nehmen, sage ich: Der Antrag verkennt völlig, wie wichtig die EU gerade für unsere Souveränität ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Die EU ist nämlich der Garant unserer Souveränität. Angesichts ökonomischer Abhängigkeiten, geostrategischer Bedrohungen und von Angriffen auf die Demokratie von innen wie von außen sind unsere Souveränität, unsere Freiheit, unser Wohlstand und auch unsere politische Handlungsfähigkeit herausgefordert. Bei all diesen Themen wird es ohne vertiefte europäische Zusammenarbeit nicht gehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
In den Bereichen Energie, Wirtschaft und Verteidigung etwa wird unsere Souveränität eine europäische Souveränität sein.
In Ihrem Antrag gestehen Sie ja eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung der europäischen Integration ein; aber die EU ist eben viel mehr als eine Wirtschaftsunion. Wer so eng zusammenarbeitet wie die EU-Staaten, braucht auch gemeinsame Regeln und dann auch eine gemeinsame Rechtsprechung und gemeinsame Grundvorstellungen zu Prinzipien und Werten.
(Beatrix von Storch (AfD): Quatsch! Alles Blödsinn!)
Dazu zählen zum Beispiel Fragen der Rechtsstaatlichkeit, Fragen der Stärkung der Demokratie, Fragen der Handlungsfähigkeit der EU. Und dazu gehört ganz elementar, das Erpressungspotenzial durch nationale Vetos im Rat abzubauen. Deswegen diskutieren wir ja zurzeit sehr intensiv über eine Reform der Entscheidungsfindung in der EU.
Die direkte demokratische Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und die Transparenz der europäischen Demokratie wollen wir unter anderem durch die Einführung transnationaler Listen und eines verbindlichen Spitzenkandidatinnen- bzw. Spitzenkandidatenprinzips bei Europawahlen stärken. Wir werden morgen auch in der entsprechenden Debatte zeigen, dass wir uns in solche Prozesse als Deutscher Bundestag aktiv einbringen.
All dies entspricht übrigens den Wünschen, die die Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel bei der Zukunftskonferenz und auch in jüngsten Umfragen geäußert haben. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Heinrich-Böll-Stiftung und des Progressiven Zentrums zeigt zum Beispiel, dass sich fast 70 Prozent der Menschen eine aktive deutsche Europapolitik wünschen. Das ist ein ganz eindeutiges Zeichen und auch ein klarer Handlungsauftrag, dem wir als Ampel nachgehen werden.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin von Storch oder sind Sie…
Chantal Kopf (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein.