Wir wollen die EU erweitern und zugleich ihre Institutionen, Handlungsfähigkeit und Werte stärken. Der Bericht der von Staatsministerin Anna Lührmann und ihrer französischen Kollegin Laurence Boone ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe ist ein Meilenstein für diese große Herausforderung. Er zeigt konkrete Schritte auf, wie Reformen innerhalb und außerhalb von Vertragsänderungen möglich sind, und wie unterschiedliche berechtigte Interessen innerhalb der EU dabei vereinbart werden können.
Die Werte der Union sowie ihre rechtsstaatlichen und demokratischen Standards sind nicht verhandelbar. Im Gegenteil: Sie müssen stärker geschützt werden – insbesondere, wenn wir unsere Nachbarn, etwa in Form einer abgestuften Integration, noch enger an uns binden und die EU um weitere Vollmitglieder erweitern wollen. Auf diese Verantwortung geht der Bericht detailliert ein. Er unterbreitet weitreichende Vorschläge, etwa für eine Reform des Artikel-7-Verfahrens oder für eine Weiterentwicklung finanzieller Rechtsstaatsmechanismen. Die Vorschläge kommen genau zur richtigen Zeit, da europäische und demokratische Grundwerte gerade so stark angegriffen werden wie schon lange nicht mehr. Wir brauchen eine wehrhafte EU. Alle Institutionen sind hierfür gefragt.
Auch die Ausweitung von Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit im Rat ist dringend erforderlich, um uns weniger erpressbar gegenüber einzelnen Mitgliedsstaaten zu machen und um insbesondere in der Außenpolitik agiler zu werden. Zudem liefern die Überlegungen zur Reform des Erweiterungsprozesses und für das Budget der EU reichhaltigen Input.
Der Bericht bezieht sich auf viele Themen, die auf EU-Ebene durch schwierige Mehrheitsverhältnisse gekennzeichnet sind und macht damit mutige Vorschläge zur Reform der EU. Die Bedeutung transnationaler Listen für die Wahlen zum Europäischen Parlament, wie sie die Ampelfraktionen mit großer Klarheit unterstützen, könnte hier noch stärker herausgestellt werden.
Die Arbeit der Expert*innengruppe ist ein klarer Erfolg der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Sie stößt wichtige Debatten an. Wir werden diese nicht nur mit anderen Regierungen in der EU, sondern vor allem auch mit Parlamentarier*innen und Bürger*innen führen. Im Rahmen unserer Arbeit im Bundestag, in der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung sowie mit anderen europäischen Parlamentarier*innen werden wir uns im Detail mit den Vorschlägen des Berichts auseinandersetzen, um damit Schwung in die Debatte über die Reform und Erweiterung der EU zu bringen.
Klar ist auch: Der Beitritt neuer Mitgliedstaaten liegt im Interesse der EU. Er wird diese stärker, stabiler und sicherer machen. Die EU-Erweiterung muss daher ebenso engagiert vorangebracht werden wie die Debatte über ihre institutionellen Reformen.