Europawahlrecht: Die Ratifizierung des Direktwahlakts von 2018

16. Juni 2023

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor drei Wochen haben wir hier unsere Stellungnahme zur Reform des europäischen Wahlrechts beschlossen, in der wir unter anderem die Einführung transnationaler Listen und des Spitzenkandidatinnen- und Spitzenkandidatenprinzips fordern.

Die Ratifizierung des Direktwahlakts von 2018, über die wir heute entscheiden, ist ein Zwischenschritt auf dem Weg hin zu diesem neuen, progressiveren europäischen Wahlrecht. Klar ist dabei: Die Einführung einer Mindestschwelle bei Europawahlen ist nicht unsere Idee und bekanntlich für uns als Grüne nicht der allergrößte Wunsch. Wir gehen diesen Schritt aber mit und machen den Weg für das Inkrafttreten des Direktwahlakts von 2018 frei; denn diese Reform wurde vom Rat und vom Europäischen Parlament – als Herzkammer der europäischen Demokratie – verhandelt und beschlossen. Die alte Bundesregierung hat zugesagt, für ein Inkrafttreten zu sorgen, und als verlässlicher Partner in Europa stimmen wir dem heute zu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wir freuen uns auch, dass Sie diesen Schritt mit uns gehen.

Wie in der Anhörung und im Ausschuss deutlich wurde, ist für uns als Ampel dabei klar, dass der Direktwahlakt und damit die Mindestschwelle von 2 Prozent erst bei der übernächsten Europawahl nach Inkrafttreten Anwendung finden wird, also frühestens bei der Europawahl 2029, falls Zypern und Spanien rechtzeitig ratifizieren. Damit folgen wir der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, dass eine unionsrechtliche Verpflichtung gegeben sein muss, damit die Anwendung einer Mindestschwelle in Deutschland bei Europawahlen verfassungskonform ist. Die Verpflichtung liegt beim Direktwahlakt erst zur übernächsten Wahl nach Inkrafttreten vor.

Die Mindestschwelle von 2 Prozent liegt im Übrigen nur 1 Prozentpunkt über der faktischen Sperrklausel, die sich aus der limitierten Anzahl von deutschen Sitzen im europäischen Parlament ergibt. Sie liegt außerdem niedriger als die Mindestschwelle von 3,5 Prozent aus dem neuen Reformvorschlag des Europäischen Parlaments. In unserer Artikel-23-Stellungnahme zu diesem neuen Vorschlag haben wir uns auch für 2 Prozent ausgesprochen. Wir schaffen damit unter anderem eine Anschlussfähigkeit an die Reform, die wir gleich ratifizieren werden.

Und zwar mit einer Zweidrittelmehrheit. Diese Anforderung war ebenfalls Gegenstand unserer Anhörung. Bei künftigen Reformvorhaben werden wir dies wirklich genau prüfen, um im Sinne der Europafreundlichkeit des Grundgesetzes die europapolitische Handlungsfähigkeit des Bundestages und damit auch Deutschlands zu stärken.

Eine handlungsfähige, sichtbare und lebendige europäische Demokratie ist unser Ziel. Deshalb haben wir das Wahlrecht ab 16 beschlossen. Deshalb wollen wir die transnationalen Listen und das Spitzenkandidatinnen- und Spitzenkandidatenprinzip. Heute gehen wir einen richtigen Zwischenschritt.

Vielen Dank an meine Ampelkolleginnen und -kollegen für die erfolgreiche Zusammenarbeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)